Spannend wie ein Thriller und die perfekte Vorlage für einen Hollywood-Film. So könnte man die Flucht Marianne von der Leyens 1793 vor den Revolutionstruppen bezeichnen.

Es dauerte ganze 4 Jahre, bis die Revolution 1793 nach den Aufständen in Frankreich den Bliesgau erreichte. Am 11. Mai 1793 erteilte Revolutionsrat in Paris den Befehl, alle Güter der deutschen Fürsten links des Rheins zu beschlagnahmen. Am 2. Juli 1793 wurde in einer Proklamation von Volksvertretern die Inhaftierung der Mitglieder der Fürstenhäuser Saarbrücken, Zweibrücken und Blieskastel angeordnet.
Marianne von der Leyen, die Regentin zu Blieskastel, verhielt sich lange Zeit neutral. Sie fühlte sich aufgrund ihrer guten Beziehungen mit Paris sicher, was sich jedoch spätestens am 15. Mai 1793 als Irrtum herausstellte, als Boutay, der Chef der Saargemünder Nationalgarde, mit 39 Offizieren und Gardisten nach Blieskastel kam und die drei Schlosseingänge besetzte. Boutay war der Gräfin bestens bekannt, hatte sie ihn doch bei seinen Reisen nach Blieskastel häufig zu Gast im Schloss. Gegen 22 Uhr betrat Boutay das Schloss. Marianne spielte gerade eine Partie Reversi. Sie wusste wohl, was die Stunde geschlagen hat, ließ sich aber nichts anmerken. Sie begrüßte ihn freundlich und lud ihn sogar zum Essen ein. Boutay jedoch erklärte Marianne seinen Auftrag. Die Regentin fügte sich scheinbar und bat den Gardisten im Vorzimmer zu warten, bis sie das nötigste zusammen habe. Marianne eilte in ein abgelegenes Zimmer, zog sich Magdkleider an, die sie bereits für den Fall der Fälle vorbereitet hatte, flüchtete in den Keller und entkam durch ein abseits gelegenes Fenster ins Freie. Vorbei an patrouillierenden Soldaten schlich sie zum Haus der Witwe eines früheren Kammerdieners. Die Frau nahm sie auf, doch nur kurz.
Im Dunkel der Nacht gelang Marianne die Flucht vor die Tore der Stadt. Allein erreichte sie nach 5 Stunden Rubenheim. Im Pfarrhaus wurde sie dann mit Respekt aufgenommen. Eine Gedenktafel am ehemaligen Pfarrhaus erinnert übrigens noch heute an Mariannes Aufenthalt.
Zwei Tage konnte sie bleiben. Unter Mithilfe des Rubenheimer Pfarrers versteckte sich die Gräfin dann drei Tage in Herbitzheim in einer alleinstehenden Hütte, die einem Tagelöhner gehörte. In der Nacht vom 21. Mai 1793 boten sich drei der Gräfin bekannte Bauern an, sie sicher nach Zweibrücken zu bringen. Sie kamen bis kurz vor Lautzkirchen, bevor die Begleiter Marianne davoneilten. Wieder war sie allein und machte sich auf den Weg zur Papiermühle. Der Pächter der Mühle erklärte ihr, dass sie nicht bleiben könne, sie würde gesucht. Marianne zog also, begleitet durch einen ortskundigen Führer, weiter nach Niederwürzbach, um zu einem ihrer Gärtner zu gelangen. In Niederwürzbach angekommen, erklärte ihr das Gärtnerpaar, das eben das Schloß ihres Sohnes, die Philippsburg geplündert werde.
Die Flucht ging weiter Richtung Limbach, um die preußischen Linien zu erreichen, was jedoch mißlang, da die Preußen ausgerechnet an diesem Tag von den Franzosen zurückgedrängt wurden. Marianne floh wieder nach Rubenheim, wo sie durch den Ortsgeistlichen Michael Wilhelm Jungbluth herzlichst aufgenommen wurde. Am 23. Mai berichtet der Gärtner aus Niederwürzbach, dass auf Mariannes Kopf ein Preis ausgesetzt sei und dass zwei Geistliche in der Nähe bereits verhaftet worden sein. Der Rubensheimer Pfarrer zog es darauf hin vor, sich in einem Steinbruch und Marianne in einer verdeckten Grotte zu verstecken. Am 25. Mai brachte sie ein Bauer nach Gersheim zum Müller Johann Paul Kempf, einem Freund des leynschen Hauses. Er sorgte für ein gutes Versteck, die heutige Marianneninsel, eine Bliesinsel, zu der man nur mit einem Boot gelangen konnte.
Einen Tag später gelang Marianne dann die glückliche Flucht zum Karlsberg, der von preußischen Soldaten besetzt war. Ihr Sohn Philipp hatte einen jungen Lehrer aus Lautzkirchen mit zwei Pässen nach Gersheim zur Hilfe geschickt. Vier Wochen nach ihrer Flucht kam sie in Koblenz an. Ende Juni 1793 wechselte sie nach Frankfurt. Krank und ohne Vermögen verfolgte sie von da die Verhandlungen ihres Sohnes nach dem Friedensschluss von Lunéville 1801. Napoleon schließlich gewährte den von der Leyen Entschädigung. Am 9. Juli 1804 stirbt Marianne in Frankfurt und wird in der Gruft der Kirche von Schloss Heusenstamm beerdigt. 177 Jahre späte werden die sterblichen Überreste der einstigen Regentin in die Schlosskirche nach Blieskastel überführt. Eine Nachfahrin Mariannes, Maria Ludovica von der Leyen, war als Ehrengast dabei.
Wer den Bericht der Flucht nachlesen möchte, der sei auf die Aufzeichnungen Marianne von der Leyens hingewiesen: Journal meiner Unglücksfälle … Eine eigenhändige Aufzeichnung ihrer Flucht vor den französischen Revolutionären im Mai 1793, bearb. von Artur Kleinschmidt. Blieskastel 1894 – Neuausgabe mit einer Einführung von Kurt Legrum, Walsheim 2001
Mehr Informationen zur Person gibt es auch hier: |➚|literaturland-saar.de/personen/marianne-von-der-leyen/